Wein & Chips
Italien sollte für vieles Preise bekommen. Die Erfindung von Pasta, Pizza, Biscotti, Miuccia Prada… Aber eine Sache sticht aus dem ganzen hervor. Der Aperitivo! Deutschland, England, Frankreich sind für ihren ausschweifenden Alkoholgenuss bekannt, währenddessen sich die Italiener still und heimlich bereits vor dem Abendessen betrinken. Genial!
Für allen denen es nichts sagt, das Konzept Aperitivo beruht darauf, sich am frühen Abend mit Freunden oder Bekannten in einer Bar zu treffen und zu trinken. Danach geht man entweder gemeinsam in ein Restaurant oder die Wege trennen sich und man trifft die nächste Verabredung. Traditionell wird zum Aperitivo noch kein harter Alkohol getrunken. Ein Aperol Spritz, Campari, ein Glas Wein oder Sekt wird bestellt und solange nachbestellt, bis es zum Abendessen geht.
Aperitivo ist auch eine meiner Lieblings-Beschäftigungen, wenn ich in Italien bin. In meiner Lieblingsbars in Palermo gibt es ausschließlich biodynamischen, unfiltrierten Wein aus Sizilien. Lorenzo (wie könnte der Besitzer auch anders heißen) berät mich sorgsam und bringt mich schlussendlich nicht nur dazu etwas zu probieren, was aussieht wie eine zweifelhafte Urinprobe, sondern es auch noch zu lieben. Man merkt Lorenzo an, wie wichtig ihm die Qualität und Herkunft seiner Weine ist. Wie stolz er darauf ist, dass alle seine Weine unter die Kategorie Slow Food fallen und er viele der Winzer sogar persönlich kennt.
Ich teile seine Begeisterung uneingeschränkt, mir bleibt nicht wirklich eine andere Wahl. Endlich jemand, dem die Qualität seiner Produkte wirklich am Herzen liegt, denke ich noch während ich meinen neuen Freund Lorenzo
an der Bar beobachte, wie er Kartoffelchips aus einer überdimensionierten Plastiktüte in kleine Schälchen portioniert und sie den anderen Gästen und mir auf den Tisch stellt.
Ich trinke jetzt also einen regionalen, biodynamisch angebauten und unfiltrierten Weißwein, von dem ich gar nicht wissen möchte, was eine ganze Flasche kostet und deprimiere jede der gerade aufregend stimulierten Geschmacksknospen in meinem Mund mit einem mit Salz, Fett und Konservierungsstoffen vollgepumpten Kartoffelchip. Wie durchdacht.
Aber ich will hier nicht nur Lorenzo kritisieren, denn seine Bar ist kein Einzelfall. Selten erreicht die Qualität der gereichten Beilagen zum Alkohol, die Qualität der Drinks selbst. Vielleicht ist der Anspruch, den ich stelle auch zu hoch. Vielleicht ist meine Enttäuschung gegenüber Lorenzo deshalb so groß, da ich von ihm, dem Herr und Wächter der Qualität seines Angebots mehr erwartet habe. Inkonsequent gegenüber dem Konzept des Lokals ist es allemal. Als würde man Kaviar bestellen und sie servieren ihn auf Golden Toast.
Natürlich schmecken die Chips trotzdem leider viel zu gut und zwischen zwei Schluck Wein habe ich sie weg inhaliert. Toll! Jetzt widerspreche ich schon meiner eigenen Philosophie. Ich spüle die Krümel der Kartoffelchips mit dem letzten Schluck Wein herunter und mache mich auf den Weg in eine Kneipe direkt am Meer um eine gegrillte Meerespatte mit Iglo Fischstäbchen zu essen.
In ihrer Kolumne „wir haben es satt“ spricht unsere Autorin Sophie J. jede Ausgabe neue absurde Beobachtungen an, die sie in ihrer Wahlheimat Sizilien entdeckt.
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