Stefan Grosse ist Gastronom, Hotelier, Unternehmer und bekannt als Wirt und Besitzer des Restaurants Blauen Bock am Münchner Viktualienmarkt. Ich darf ihn in Hamburg treffen und mit ihm über seine Erfahrungen als Gastronom, Koch und vor allem Essensliebhaber sprechen.
Wir sind zum Frühstück in einem sehr schicken Hamburger Hotel verabredet. Ich bin früh da und warte in der Hotellobby, als ich im Augenwinkel jemanden in Lederhosen an mir vorbei nach draußen eilen sehe. Da diese Art von Tracht in Hamburg eher selten zu sehen ist, ist meine Schlussfolgerung, dass es sich um Stefan Grosse handeln müsse relativ leicht. Wenige Minuten später betritt er das Hotel erneut, diesmal mit zwei großen, länglichen Kartons unterm Arm. Er sieht mich, wir begrüßen uns und er bittet mich, doch schon mal in den Frühstückssaal vorzugehen und mich zu seiner Familie zu setzen, er müsse die Kartons noch schnell ins Zimmer bringen und käme dann nach.
Wir sitzen in einem großen, elegant eingerichteten Saal mit offener Küche und einem großen Tisch in der Mitte, auf dem sich kleine Törtchen, Eclairs, Maccarons und weitere feine Kleinigkeiten aus der hauseigenen Patisserie stapeln. Es gibt natürlich auch Frühstück à la carte und ohne mich entscheiden zu müssen, bestellt Stefan einfach mal eine große Auswahl von allem, „man muss alles mal probiert haben“. Er ist Genießer und schreibt über sich selbst in seinem Buch „Fürs Verlangen ist noch niemand bestraft worden“, „Ich bin nie satt. Entweder ich habe Hunger oder ich habe Lust auf mehr“.
Ich möchte wissen, wie er in die Welt der Gastronomie gekommen ist. Er hat eine Ausbildung als Koch, war Haupteinkäufer beim Münchner Delikatessengeschäft Dallmayr und jetzt sein eigenes Restaurant in München. Er verweist auf seine Eltern, sie sind für damalige Verhältnisse viel Essen gegangen und das hat ihn eben stark geprägt.
Die erste Frage, die ich ihm stelle, ist meine Lieblingsfrage. Der Blaue Bock liegt in München direkt neben dem Viktualienmarkt und wahrscheinlich habe ich einfach zu viele Netflix Dokumentationen gesehen, in denen Köche früh morgens über den Markt gehen, um die Zutaten für ihr Menü am Abend, an ihren Ständen einkaufen. Liegt es nicht nahe, wenn das Restaurant schon an der Quelle der frischesten und regionalsten Lebensmitteln sitzt, dort auch einzukaufen? Wie ich es mir bereits dachte, ist dieses Bild rein redaktionell erschaffen, um Menschen wie mich zu beeindrucken. Alle Köche, sagt Grosse, kaufen dort ein, wo auch die Markthändler einkaufen: in der Großmarkthalle. Alles andere ist viel zu teuer, am Ende des Tages ist das, was wir weniger ausgeben, das, was für uns selbst übrig bleibt. Die Qualität soll darunter natürlich nicht leiden, aber auch in der Gastronomie gibt es gute Angebote, nach denen man sich richtet. Auch Saisonalität spielt eine große Rolle. Das ganze Jahr Spargel auf der Karte zu haben, setzt voraus, dass man das ganze Jahr Spargel aus der ganzen Welt kauft. Und das ist nicht nur teuer, sondern auch ökologisch gesehen eine Katastrophe. Wieso setzen dann aber nicht viel mehr Lokale auf regionalen, saisonalen Einkauf, wenn es doch auch noch ökonomischer ist?
Jedes Restaurant habe ein eigenes Konzept. Hinter dem Konzept müssen nicht nur der Gastronom selbst, sondern auch die Küchenchefs, Betreiber und Angestellten stehen, sonst funktioniere das nicht. Das Konzept des Blauen Bocks sei es, das gerade Genannte umzusetzen. Es gäbe aber eben auch andere Lokale, die entweder mit Zutaten arbeiten, die hier nur schwer zu bekommen sind oder eben aus anderen Regionen sein müssen. So ein argentinisches Steak kann halt nicht aus dem Schwarzwald kommen. Diese Lokale vertreten ein anderes Konzept und arbeiten deswegen auch vom Grundsatz her anders. Trotzdem stimme mein Bild manchmal trotzdem, tröstet er mich, spätestens, wenn mal eine Zutat ausgeht, muss einer auf den Markt rennen.
Na gut, wenn schon nicht für das Restaurant, dann aber für sich selbst? Schließlich wohnt er unmittelbar über den Lokal und ihn trennen somit ebenfalls nur wenige Schritte zum Viktualienmarkt. „Mein Kühlschrank ist immer leer, ich wohne über einem Restaurant, wenn ich Hunger habe, geh ich in die Kühlkammer.“ Ein Gedanke, der mich fasziniert. Ein riesiger Raum voller Lebensmittel in Top Qualität und dann auch noch eine Gastroküche, in der man alles findet, was es gibt. Stefan selbst kocht fast gar nicht mehr, erzählt er. Während des ersten Lockdowns, da ja. Da kamen auch mal Stammgäste einfach zu ihm ein Stockwerk höher und er bekochte sie. Jetzt käme das nur noch selten vor.
Er selbst geht lieber Essen. Und das merkt man. Er fühlt sich eben in Restaurants zu Hause. Nach unserem Frühstück gingen sie an den Hauptbahnhof, erzählt er mir. Zu Dim Sum, einem chinesischen Restaurant, das die beste Peking-Ente der Stadt haben soll. Ein Geheimtipp, von außen würde man nicht reingehen wollen. Der Ort sei unscheinbar, Teppiche und Vorhänge würden immer noch nach Nikotin riechen, aus Zeiten, als man in Restaurants noch rauchen durfte. Aber die Ente sei unschlagbar. „Die beste in Hamburg?“ frage ich. Es soll noch einen Laden neben Dim Sum geben, dort soll sie angeblich noch besser sein. „Aber je älter ich werde, desto weniger bin ich bereit, Neues auszuprobieren“, ich will gut essen und mich dort fühlen wie in meinem eigenen Wohnzimmer. Mehr brauche ich nicht.“
„Was war eigentlich in den beiden Paketen?“, frage ich, bevor wir uns verabschieden. Begeistert erzählt er mir von einem befreundeten Gastronomen hier in Hamburg, der ein Fischlokal direkt auf dem Fischmarkt hat. Dieser habe ihn gestern angerufen und gefragt, ob er etwas vom Räucheraal abhaben will, den er gerade frisch bekommen hat. 10 Räucheraale fliegen jetzt also zusammen mit Stefan Grosse am Abend zurück nach München und in der nächste Woche wird wohl Räucheraal aus Hamburg als Spezialgericht auf der Karte im Blauen Bock zu finden sein.
Restaurant Blauer Bock
Sebastiansplatz 9
80331 München
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